Montag, 25. April 2016

Die Geschichte von Hermann und Richard

Tja, ich erzähle mal von Hermann und Richard.

1960 und 1961 wurden in einem Schulgarten in Nürnberg 
drei Schildkröten nacheinander ausgesetzt, 
darunter auch Hermann und Richard.
Der Hausmeister fand sie und gab sie einem Ehepaar 
mit großem Garten. Dort wurde etwas für sie eingezäunt, 
aber eine entkam. Sie wurde später weiter weg in dieser
 Siedlung tot aufgefunden.
Übrig blieben Hansi und Hansi, wie die beiden damals 
genannt wurden. Sie bekamen Wildkräuter aus dem nahen
Wald, Gemüseabfälle und jeden Morgen -mit einem Löffel-
eingeweichte Zwieback in Milch serviert. Im Winter wurden 
sie in einer Kiste mit Tüchern in einen wohl temperierten
Keller gestellt. Richard-Hansi wurde zwischendurch immer
wach und durfte dann einige Tage auf dem Küchenboden
herum laufen. In einem Winter (oder in mehreren) wurde er
krank und musste zum Tierarzt. Frauchen kann sich aber 
nicht erinnern, was Richard-Hansi hatte und wie behandelt
wurde.
Irgendwann vertrugen sich die Hansis überhaupt nicht mehr, 
sie bissen sich und Frauchen war ratlos.
Dann übernahm Frauchen einen menschlichen Pflegefall und
sah sich mit den Schildkröten überfordert. Sie hing Zettel an
Laternen auf, suchte auf diese Weise einen neuen Halter.
Meine Freundin in Nürnberg hat einen Sohn, 
der zu der Zeit 13 Jahre alt war. Er wusste, dass ich, die ich 
nur 3 Schildkröten hatte (1 Weibchen und 2 Männchen,
Boettgeris), gerne noch welche dazu hätte und teilte mir die
Tel.-Nr. vom Laternen-Frauchen mit. Frauchen konnte sich
aber nicht entschließen, mir die Tiere zu überlassen. 
Ich stellte fest, sie waren nicht gemeldet und hatten somit 
keine Papiere. Die Meldepflicht war erst kurz vorher
eingeführt worden.
Nach einigen Monaten und vielen Telefonaten war es dann 
so weit: Ja, ich konnte die Schildkröten holen. Heute
undenkbar, ich hatte vorher kein Foto gesehen, aber egal,
Frauchen wusste ja, dass es Griechische Landschildkröten 
sind und zwar ein Pärchen.
Nun ist Nürnberg von Köln-Bonn aus nicht gerade um die 
Ecke herum. Die Tiere waren im Winterquartier in der Kiste
im Keller in Decken gehüllt. Ich buchte eine Tages-Busreise
zum Christkindles Markt in Nürnberg, hatte eine große
Reisetasche mit einer Gardine drin dabei.
Am Bus in Nürnberg erwartete mich Herrchen mit einem
selbstgemachten Holzschild mit der Aufschrift "Schildkröten".
Im Keller von Frauchen und Herrchen fand ich die wachen
Schildkröten mit weit geöffneten Augen und packte sie in 
meine Gardinen um, jedes Tier in seine Gardine, dann beide
"Pakete" in die Reisetasche. Mir fiel auf, dass die eine
Schildkröte ganz anders aussah als meine Griechischen.
Ich ließ mir von Frauchen eine vorbereitete eidesstattliche
Erklärung unterschreiben für meine Meldebehörde. Dann
mussten wir bald wieder zurück zum Bus.
Zu Hause packte ich die Tiere aus und stellte fest, dass die 
so anders aussehende Schildkröte eine blutige Nase hatte, 
und diese Verletzung, trotz Gardine, durch eine Attacke 
des anderen Tieres verursacht war. Außerdem stellte ich fest,
dass beide Hansis Männchen sind, eine Testudo graeca ibera
und eine Testudo hermanni boettgeri.
(Die boettgeris hießen damals noch hermanni hermanni. 
Die heutigen hermanni hermanni hießen übrigens hermanni
robertmertensi.)
Der Winter in unserem Keller in getrennten Kisten mit Erde
und Laub ging zu Ende, die noch ruhenden Tiere zogen ins
Frühbeet um, wo sie selbständig, wie meine anderen
Schildkröten, aufwachen konnten. Sie hießen ab jetzt 
Hermann (hermanni boettgeri) und Richard (wie ehemaliges
Herrchen). Hermann grub sich ein, Richard lag im Heu. 
Das neu aufgestellte Frühbeet erwies sich als nicht ausreichend
befestigt. Als der erste April-Sturm kam, flog es weg,
irgendwann nachts, keiner merkte es, Richard erlebte eine
stürmische, kalte, nasse Nacht und bekam einen heftigen
Schnupfen. Ich stellte ihn dem Tierarzt vor, der einen Abstrich
machte, da er Mykoplasmen ausschließen wollte und feststellen
wollte, welches Antibiotikum, falls eines notwendig würde, 
das Tier bekommen darf. Das Ergebnis: keine Mykoplasmen,
aber das Tier ist resistent gegen 48 von 50 getesteten
Antibiotika und sollte daher nur bei einer ernsthaften
Erkrankung -wie Lungenentzündung- ein Antibiotikum
bekommen, eines der beiden, gegen die keine Resistenz
entwickelt wurde. Der Tierarzt meinte, das Tier sei sicher 
öfter krank gewesen und habe öfter Antibiotikum bekommen
oder habe mit einem Hund zusammengelebt, der öfter
Antibiotikum verabreicht bekommen hat. 
Hermann und Richard habe ich in all den Jahren immer mal
zusammen und mal getrennt gehalten, getrennt dann, wenn
Hermann mal wieder zugebissen hatte.
Richard bekam die ersten Jahre hin und wieder einen
Schnupfen, aber ich konnte ihn nicht auf kaltes Wetter
zurückführen. Eine damalige Schildkrötenbekannte, 
die Katja, einige kennen sie, kam auf die Idee, dass Richard
vielleicht so etwas wie Heuschnupfen von dem Heu im 
Frühbeet hat, denn irgendwie staubt das Heu ja.
Ihr werdet es nicht glauben, ich habe das Heu aus den
Frühbeeten dauerhaft verbannt und Richard hat nie wieder
einen Schnupfen bekommen.
Aber nochmal zurück zu den Anfängen. Ordnungsgemäß 
ging ich einige Tage, nachdem die Schildkröten in meinem
Keller eingezogen waren, zum Amt, um die Tiere dort unter
Vorlage der eidesstattlichen Erklärung anzumelden. 
Eine Frau, die ich in Sachen Schildkröten kurz vorher kennen
gelernt hatte, und die auch etwas beim Amt zu erledigen hatte,
war dabei. Meine Sachbearbeiterin (ist sie heute noch und wir
verstehen uns sehr gut) war außer sich, dass ich Schildkröten,
die in Nürnberg nicht gemeldet waren, mitgenommen hatte,
und verlangte, ich solle sie auf der Stelle zurückbringen. Dort
müssten sie erst angemeldet werden, dann könne ich sie wieder
abholen. Ich weigerte mich, denn das hätte ich dem Frauchen
nicht antun können. Die Sachbearbeiterin drohte mit einem
hohen Bußgeld. Ich bot an, den Schreibkram mit der
Nürnberger Behörde selbst zu übernehmen, aber das
akzeptierte die Sachbearbeiterin auch nicht. Da sprang meine
neue Bekannte ein, aber wie! Und das half. Ich konnte mich 
mit der Sachbearbeiterin einigen, sie nahm die Anmeldung 
der Tiere an und ich bekam die damals blaue Cites. 
Geht doch!
So, diese Beiden, zwei unterschiedliche Charaktere:
Hermann will einfach nur seine Ruhe, er geht spazieren, liegt
mal hier in der Sonne, frisst dort ein Blättchen, rempelt meinen
Stuhl an usw..
Richard ist immer im Dauerlauf, sucht immer nach etwas, 
das gerade im Gange ist, Füße, Schüppchen, Harke, ein Brett,
eine einzupflanzende Pflanze, ein Eimer, will immer dabei sein. 
Selten liegt er da und sonnt sich.
Wenn nichts los ist und er zusammen mit Hermann das ganze
Grundstück außer Haus und Gehegen, also ca. 300 m² hat,
sucht er Hermann,umkreist ihn, stößt seinen Panzer von allen
Seiten, umkreist ihn wieder. Irgendwann hat Hermann dann
genug und beißt zu, vielleicht ins Bein, vielleicht in die Nase,
einmal ins Auge.
So halte ich die beiden meistens getrennt, entweder hat
Hermann den ganzen Garten oder Richard. Ihre Gehege sind
auch recht groß.
Hermann ist es egal, ob er im Gehege ist oder nicht, aber
Richard zeigt deutlich, wenn er raus will.
Richard ist ein ganz tolles Tier, aber anstrengend.
Als ich letzte Woche mal wieder mit dem ehemaligen Frauchen
telefoniert hab, sagte sie mir, dass evtl. ihre Enkelkinder
(23/25/27) Interesse haben, die beiden Schildkröten zu
übernehmen, wenn ich sie nicht mehr versorgen kann.
So werde ich demnächst Kontakt mit den Enkeln aufnehmen,
denn mir ist sehr wichtig, Richard und Hermann und alle
Schildkröten dauerhaft gut versorgt zu wissen, wenn ich nicht
mehr für sie da sein kann.
Hermann hat übrigens einen sehr langen Schwanzendnagel.
Einige Jahre, nachdem Hermann bei mir eingezogen war, 
holte ich Biggi aus dem Tierheim, ein sehr großes Boettgeri-
Weibchen, perfekt für den großen Hermann. Die Beiden
könnten dauerhaft im Garten leben, wunderbar!
Ja, denkste!
Eines Tages war Hermann, man hörte es, sehr lange mit Biggi
in der Hecke zugange. Abends blieb Biggi in der Hecke liegen,
ganz entgegen ihrer Gewohnheit. Ich hatte an dem Tag den
Rasen gemäht. Zwischen Biggis Schwanz und dem
Rückenpanzer klebte fest gedrückt der Rasenschnitt. Ich
entfernte ihn und bemerkte erschrocken, dass Biggis Kloake
verletzt war und ein Stück Darm heraushing.
Der Tierarzt und ich, wir waren uns einig, dass Hermann mit
seinem langen und gekrümmten Schwanzendnagel an der
falschen Stelle gelandet war und den Darm verletzt hatte.
Hermann durfte vorher viele Weibchen begatten, ich wusste
nichts von Herpes und es sprach sich rum, dass ich ein
deckfreudiges Männchen hätte. 
So waren viele Weibchen hier kurz oder länger zu Gast.
Nun war es aber bei Biggi geschehen, die Behandlung dauerte 
viele Wochen mit zweierlei Salben, die ich mit dem Finger in
der Kloake verteilen musste. Biggi war geduldig.
Mit dem Tierarzt überlegte ich, wie man Hermann
"entschärfen" könnte. Die Entfernung oder Kürzung des
Schwanzendnagels kam für ihn nicht ihnfrage, es widerspricht
den Tierschutzvorschriften. So formte der Tierarzt aus
Technovit eine flache Verkleidung und umhüllte und
entschärfte so den Endnagel. Solange Hermann alleine war,
war ihm das egal. Als er aber ein Weibchen (nicht Biggi) zur
Verfügung hatte und merkte, dass er seinen Schwanz nicht 
wie gewohnt einsetzen konnte, wurde er sehr aggressiv. 
So hab ich ihn nie mehr zu einem Weibchen gelassen, auch
nicht, als nach ein paar Jahren die Schwanzverkleidung
abgefallen war.
Damit Ihr die beiden Schildkröten kennen lernen könnt, 
zeig ich Euch kurze Filmchen:




Zu Hermann gibt es hier noch eine  

Und hier noch ein -vom Gespräch her etwas manipuliertes-

Dazu zeig ich Euch noch ein paar Fotos.







gerade aus dem Winterschlaf, 
die ersten Sonnenstrahlen genießend



 ENDE


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